Betriebsrats-News

Müssen Beschäftigte im Urlaub erreichbar sein?

 

Jeder Beschäftigte hat nach § 1 Bundesurlaubsgesetz (BurlG) Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Urlaub verfolgt demnach den Zweck der absoluten Erholung von der Arbeitszeit. Eine Erholung ist aber gerade dann nicht gewährleistet, wenn der Arbeitnehmer ständig damit rechnen muss, zur Aufnahme seiner Arbeit aus unterschiedlichen Gründen bestellt werden zu können. Zur Arbeit zählen auch der E-Mail-Verkehr und selbst Telefonate zwischen Arbeitnehmer und Arbeitsstelle bzw. Arbeitgeber. E-Mails und Telefonate sind somit Arbeit und beeinträchtigen die Erholung.

Urlaub bedeutet Urlaub! Niemand muss in dieser, seiner persönlichen Erholungsphase, erreichbar sein, auch dann nicht, wenn er ein Diensthandy hat. Nach dem BurlG müssen Beschäftigte an ihren freien Tagen von der Arbeit komplett entbunden sein.

Arbeitsverträge beinhalten vermehrt die Klausel „ständige Erreichbarkeit“. Diese Pflicht des Arbeitnehmers besteht laut Vertrag auch an seinen freien Tagen, oder jedenfalls für ein paar Stunden pro Urlaubstag. Einmal täglich die Mailbox abhören oder in einer bestimmten Zeit telefonisch erreichbar zu sein, kann hier festgelegt werden.

Finden sich derartige Klauseln in den Arbeitsverträgen, so ist zu prüfen, ob diese zulässig sind. Denn der Urlaub dient der Erholung und damit dem Gesundheitsschutz. Daher hat das BAG entschieden, dass derartige Klauseln in Arbeitsverträgen unzulässig seien. (20.06.2000-9AZR 405/99).

Dies gilt insbesondere für die 24 Werktage, die jedem Arbeitnehmer als gesetzlicher Mindesturlaub zustehen. An vom Arbeitgeber zusätzlich und freiwillig gewährten Urlaubstagen kann es jedoch vertragliche Sonderregelungen geben. Vorgaben, die eine Erreichbarkeit an den Zusatzurlaubstagen vorsehen, sind nicht unzulässig. Der Arbeitgeber dürfte dann eine permanente Erreichbarkeit verlangen.

Wie verhält es sich bei Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst?

Rufbereitschaft bedeutet, dass der Arbeitnehmer jederzeit für den Arbeitgeber erreichbar sein muss, um auf Abruf die Arbeit aufnehmen zu können.

Bereitschaftsdienst ist dann gegeben, wenn sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort innerhalb oder außerhalb des Betriebes aufhalten muss, um bei Bedarf unverzüglich seine Arbeitstätigkeit aufnehmen zu können.  

Wer sich im Urlaub befindet, kann keine Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst leisten.

In beiden Fällen dürfen die Beschäftigten nicht im Urlaub sein.

Bereitschaftsdienst gilt immer als Arbeitszeit, Rufbereitschaft hingegen nur dann, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich zur Arbeit herangezogen wird.

Wo liegt die Ausnahme zum Kontaktverbot zum Arbeitnehmer, der sich im Urlaub befindet?

Tritt ein echter Notfall ein, dann darf der Arbeitgeber um Hilfe bitten. Dies, wenn z.B. ein wichtiges Passwort fehlt, welches nur der sich im Urlaub befindliche Mitarbeiter kennt. Die Zeit der Erledigung der Anfrage gilt als Arbeitszeit und muss dem Beschäftigten vergütet werden.

Der Grund für einen Abbruch des Urlaubs und einen Rückruf durch den Arbeitgeber muss schon wesentlich gravierender ausfallen und einer Katastrophe, wie z.B. dem Zusammenbruch der EDV gleichkommen.

Eine geschwächte Personaldecke oder ein erkrankter Mitarbeiter den es zu ersetzen gilt reichen hier nicht aus. Nur im äußersten Notfall kann ein Mitarbeiter zurückgerufen werden.

In allen Fällen des Rückrufs aus dem Urlaub hat der Arbeitgeber die vollen Kosten für die Rückreise zu tragen.

Kann der Arbeitnehmer gekündigt werden, wenn er nicht erreichbar ist?

Wer als Beschäftigter im Urlaub den Anruf oder die Kontaktaufnahme zum Arbeitgeber verweigert, muss keine Sorge haben, dass ihn nach der Rückkehr aus dem Urlaub eine Kündigung erwartet.

Dem Arbeitnehmer muss ein Verstoß gegen arbeitsrechtliche Pflichten vorgeworfen werden, was im Fall eines Urlaubs nicht möglich ist. Eine Abmahnung wegen Fehlverhalten oder eine verhaltensbedingte Kündigung wären hier ohne Grundlage und erfolglos. 

 

 

Arbeiten bei großer Hitze. Gesundheitsschutz und Mitbestimmung.

Alle Jahre wieder, der Sommer von seiner besten Seite mit Temperaturen über 30 Grad.

Das freut wer frei hat, aber wer arbeiten muss, könnte leiden. Der Arbeitgeber muss Schutzmaßnahmen ergreifen. Das Büro zu heiß und stickig, oder der Arbeitsplatz im Freien kaum auszuhalten. Der Arbeitgeber sollte handeln und der Betriebsrat könnte mitbestimmen.

Das Arbeiten bei hohen Temperaturen kann unweigerlich zu Gesundheitsbelastungen führen. Der Arbeitgeber muss dafür Sorge tragen, dass das nicht passiert und daher den Arbeitsplatz so einrichten, dass keine Gefährdungen durch Hitze vom Arbeitsplatz ausgehen (§ 3a ArbStättV). Daher hat er auch bei hohen Temperaturen eine Fürsorgepflicht. Er muss für eine »gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur« sorgen. So steht es in Ziff. 3.5. des Anhangs zur neuen Arbeitsstättenverordnung. Was allerdings eine »zuträgliche Raumtemperatur« genau ist, sagt das Gesetz nicht. Allerdings gibt es Vorgaben in den sogenannten »Technischen Regeln für Arbeitsstätten« (ASR A), hier in Ziffer 3.5., die die Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung konkretisieren und viele detaillierte Hinweise für die Raumtemperatur in den Arbeitsstätten eines Betriebs enthalten. Danach gilt für Büroräume eine Raumtemperatur von maximal 26 Grad noch als »zuträglich«. Bei Temperaturen darüber muss der Arbeitgeber Schutzmaßnahmen ergreifen.

Was sollte Der Arbeitgeber bei hohen Temperaturen unternehmen?

Die Sonnenschutzsysteme, wie z.B. Außenjalousien, sind vollständig zu schließen. Hierauf und auf häufiges Lüften, sofern dies zur Abkühlung führt, hat der Arbeitgeber zu achten und hinzuweisen.

Zudem sollten Ventilatoren die Raumtemperatur erträglich gestalten und kostenlose Kaltgetränke bereitstehen. Arbeitsplätze und Pausenräume sind wenn möglich, auf von der Sonne abgewandte Einrichtungen zu verlegen.

Daneben können den Mitarbeitern weitere Maßnahmen empfohlen werden: z. B. gelegentliches Abkühlen durch Überströmen der Hände/Unterarme mit kaltem Wasser (Waschbecken), Nutzung der Pausen zur Abkühlung und Entspannung.

Damit diese Maßnahmen rechtsverbindlich und auch – im Notfall – rechtlich durchsetzbar sind, sollte der Betriebsrat sie in einer Betriebsvereinbarung festlegen.

Eine Gefährdungsbeurteilung vor Umsetzung der Schutzmaßnahmen ist nicht erforderlich. Oft behaupten Arbeitgeber, dass Maßnahmen zur Wärmeentlastung eine vorherige Durchführen einer Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG erfordern ist. Das ist aber nicht der Fall. Denn Gefährdungsbeurteilungen werden langfristig geplant und nur selten bei akuter Hitze vorgenommen. Zudem liegen gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse vor (in Gestalt der ASR A 3.5.), dass Arbeiten bei Hitze gesundheitsschädlich ist und daher Gegenmaßnahmen zu ergreifen sind. Es geht daher nur darum festzustellen, ob die jeweiligen Temperaturstufen erreicht sind, da hierdurch die jeweiligen Maßnahmen ausgelöst werden können.

In der Praxis ist es jedoch immer ratsam, auch für akute Hitzeperioden eine gesonderte Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen und alle dann notwendigen Maßnahmen in einer Betriebsvereinbarung zu bestimmen.

Ein Verlegen der Arbeitszeit ist durchaus möglich und sinnvoll. Das Arbeiten in den frühen und kühleren Morgenstunden kann Abhilfe schaffen.

Es kann ratsam sein, die Arbeitszeiten in den sommerlichen Hitzeperioden insgesamt zu verändern. So könnte der Betriebsrat vorschlagen, dass bei einer Raumtemperatur über 26 Grad nur noch maximal 6 Stunden gearbeitet wird. Bei über 30 Grad könnte auf 4 Stunden gekürzt werden. Bei vollem Lohnausgleich – selbstverständlich. Sinnvoll sind auch stündliche Arbeitspausen. Am besten regeln Betriebsräte all diese Fälle in einer Hitze-Betriebsvereinbarung.

Arbeiten im Freien unterliegen zudem einer gesonderten Beurteilung. Neben Hitze treten UV-Strahlen und Ozonbelastung als erhebliche Gefahr auf.

Die besten Schutzmaßnahmen reichen oft nicht aus, um die Gefahren vollständig einzudämmen. Daher muss hier in jedem Fall eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden, um langfristig Maßnahmen festzulegen.

Bei Arbeiten über 25 Grad im Schatten müssen die Beschäftigten über die Gefahren informiert werden. Der Arbeitgeber muss permanent das Befinden der Beschäftigten überprüfen. Bei extremen Temperaturen sollte auf schwere Arbeiten verzichtet oder diese in die frühen Morgenstunden verlegt werden. Der Arbeitgeber sollte Kopfbedeckungen, Sonnenbrillen mit UV-Filter und Sonnenschutzcreme zur Verfügung stellen.

Auch bei extremen Temperaturen steht dem Arbeitnehmer kein Recht auf Hitzefrei zu. Ein eigenmächtiges Fernbleiben vom Arbeitsplatz besteht ebenfalls nicht.

Dafür hat der Betriebsrat bei Hitze-Maßnahmen immer ein Mitbestimmungsrecht. Wichtigste Norm ist § 3a AbStättV.

Danach muss der Arbeitgeber geeignete Maßnahmen gegen extreme Hitze ergreifen. Gesundheitsgefahren für die Beschäftigten sind zu vermeiden. Bei der Wahl dieser Maßnahmen hat der Arbeitgeber einen Handlungsrahmen, er kann zwischen verschiedenen Maßnahmen wählen.

Immer dann, wenn dies im Arbeitsschutz der Fall ist, hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht. Und zwar nach enthält§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Da es sich um ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht handelt, kann und sollte der Betriebsrat auch von sich aus initiativ werden und Maßnahmen vorschlagen. Sollte der Arbeitgeber sich verweigern, bleibt nur der Gang zur Einigungsstelle.

ChatGPT - Künstliche Intelligenz im Berufsalltag. Arbeitsrechtliche Fragen!



Die KI-Anwendung ChatGPT des amerikanischen Unternehmens OpenAI ist seit November 2020 frei verfügbar und verspricht eine Automatisierung von Texten jeglicher Art. Doch welche arbeitsrechtlichen Fragen ergeben sich dabei? Wir haben die Antworten.

1. Darf eine KI die Arbeit von Menschen übernehmen und welche Risiken gibt es?
ChatGPT kann E-Mails, Stellenanzeigen und Datenanalysen automatisch erstellen. Grundsätzlich ist die Nutzung aus arbeitsrechtlicher Sicht erlaubt, da eine KI lediglich als Arbeitsmittel gilt. Allerdings sollten Arbeitnehmer darauf achten, dass die Eingaben präzise sind und die generierten Texte auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden.

2. Muss der Arbeitgeber über den Einsatz von ChatGPT informiert werden?
Es empfiehlt sich, den Arbeitgeber über die Verwendung von ChatGPT zu informieren, insbesondere wenn die Aufgaben ausschließlich mit dem Chatbot erledigt werden.

3. Was ist beim Datenschutz zu beachten?
Es sollten niemals sensible Daten bei ChatGPT eingegeben werden, da diese von OpenAI und Service-Providern gespeichert werden. Zudem besteht die Gefahr, dass ChatGPT erhaltene Angaben nutzt, um seine Dienste weiter zu optimieren.

4. Dürfen Arbeitgeber den Einsatz von ChatGPT verbieten?
Unternehmen können den Einsatz von ChatGPT im Betrieb untersagen, insbesondere aus Datenschutzgründen. Bei Verstoß können arbeitsrechtliche Maßnahmen ergriffen werden.

5. Darf der Chatbot im Bewerbungsprozess eingesetzt werden?
ChatGPT darf im Bewerbungsprozess eingesetzt werden, jedoch muss die endgültige Entscheidung immer bei einer natürlichen Person liegen gemäß der DSGVO.

Um eine rechtskonforme Umsetzung von ChatGPT im Unternehmen zu gewährleisten, empfiehlt sich eine juristische Beratung.

Künstliche Intelligenz (KI): Sind unsere Jobs gefährdet? Neue Herausforderung für Betriebsräte?!

Die KI hat das Potenzial, den Arbeitsalltag grundlegend zu erleichtern. Die KI sammelt Texte, Bilder oder Musikstücke aus dem Internet und generiert daraus neue Inhalte. Künstliche Intelligenz versetzt Rechner in die Lage, aus Erfahrung zu lernen und Aufgaben zu bewältigen, die normalerweise menschenähnliches Denkvermögen erfordern. Der nützliche Helfer schreibt Kündigungsschreiben, Social Media-Posts oder Stellenanzeigen, aber auch Texte für die Web-Seite und vieles mehr. Bereits eingesetzt: Gesichtserkennung, selbstfahrende Autos, Kundenservice. Das Potenzial der KI ist groß, aber es gibt einige Hürden, die das Ersetzen von menschlichen Arbeitnehmern für Unternehmen schwierig gestalten. Bisherige Analysen ergeben, dass nicht ganze Berufe, sondern nur einzelne Tätigkeiten durch KI ersetzt werden können. Also, ein nützliches Tool, das ähnlich wie der Computer Arbeitnehmer unterstützt und positive Effekte auf Arbeitsmarkt und Arbeitsbedingungen generiert.

Entscheidend ist, dass man sich nicht auf die Angst fokussiert, dass die Arbeit ausgehen könnte, sondern dass man sich rechtzeitig auf die Veränderungen der Arbeit einstellt.

 

 

Aktuelle Rechtsprechung. Bestimmung bei Einstellung. Digitale Unterrichtung des Betriebsrats reicht aus.

 

Der Betriebsrat hat bei der Einstellung neuer Beschäftigter ein umfassendes Beteiligungsrecht. Voraussetzung nach § 99 Abs. 1 BetrVG, es müssen regelmäßig mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer im Unternehmen beschäftigt sein. Es werden auch kleine Betriebseinheiten erfasst, wenn sie weniger als 20 Beschäftigte haben, aber zu einem größeren Unternehmen gehören. Der Schwellenwert, 20 wahlberechtigte Mitarbeiter im Unternehmen, bezieht sich auf die Unternehmensebene und nicht auf den einzelnen Betrieb. Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat vor jeder personellen Einzelmaßnahmen zu unterrichten und seine Zustimmung einzuholen. Der Gedanke des Gesetzgebers: Dem Betriebsrat wird durch sein Mitbestimmungsrecht Einfluss auf die Sozialstruktur des Betriebs eingeräumt. Auch wird der Betriebsrat den Arbeitgeber gleich stoppen, mit dem Hinweis „Innerbetriebliche Ausschreibung“.

Möchte der Arbeitgeber eine Einstellung vornehmen, oder einen Arbeitsplatz neu einrichten, muss er vor jeder Maßnahme den Betriebsrat Anhören und die Zustimmung des Gremiums zur geplanten Veränderung einholen. Für diese Anhörung sieht das BetrVG keine Formvorschrift vor. Sie kann also mündlich, schriftlich oder elektronisch erfolgen. Die erforderlichen Unterlagen müssen dem Betriebsrat jedoch vorgelegt werden.

Eine aktuelle Diskussion in der Rechtsprechung beschäftigt sich mit der Frage, ob die digitale Unterrichtung, d. h. die Möglichkeit der Einsichtnahme in die relevanten digitalen Unterlagen, des Betriebsrates vollkommen ausreicht oder eine Überlassung der Unterlagen in Schriftform die richtige Vorgehensweise darstellt.

Das LAG Sachsen-Anhalt dazu in einer neueren Entscheidung: Im Zeitalter der Digitalisierung reicht es für die Unterrichtung aus, wenn der Arbeitgeber dem Gremium einen Zugang zu den digitalisierten Bewerbungsunterlagen einräumt. Ein Aushändigen schriftlicher Unterlagen ist dann nicht mehr erforderlich. Dem LAG scheint es zeitgemäß und fördert mit dieser Entscheidung die Digitalisierung in der Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

Einigkeit herrscht nicht. Unter den Juristen ist umstritten, ob der Betriebsrat die erforderlichen Unterlagen bei personellen Einzelmaßnahmen in physischer Vorlage erhalten muss, oder ob allein der Zugang zu den digitalisierten Unterlagen ausreicht. Mit Spannung erwartet, die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt, das die Grundsatzfrage, ob die Bereitstellung der Einsichtnahme in digitale Bewerbungsunterlagen ausreicht, noch nicht entschieden hat. Auch in anderen Bereichen der Mitbestimmung des Betriebsrats könnte diese Entscheidung wegweisend Grundlagen für eine ausreichende digitale Einsichtsmöglichkeit bedeuten.

Zum vorliegenden Sachverhalt und Urteil mit Begründung Quelle:

LAG Sachsen-Anhalt, 13.10.2022, Az. 2 TaBV 1/22

Narrenfreiheit am Arbeitsplatz! Was ist erlaubt? Alle Jahre Wieder.

Narrenfreiheit am Arbeitsplatz! Was ist erlaubt? Alle Jahre wieder.

Helau, Alaaf, Karneval, Fasching oder Fastnacht, nach Corona, die Narrenrufe sind wieder zu hören und es darf gefeiert werden. Höhepunkt der fünften Jahreszeit steht vor der Tür und gefeiert wird auch in vielen Betrieben. Doch so ausgelassen, wie es im Privaten oft der Fall ist, darf es bei der betrieblichen Karnevalsfeier nicht zu gehen. Einige Grundregeln:

Müssen Arbeitgeber ihren Mitarbeitern an Rosenmontag freigeben?

Nein! Wer feiern will, muss sich grundsätzlich Urlaub nehmen. Rosenmontag und Weiberfastnacht sind keine Feiertage, sondern Brauchtumstag. Es besteht kein Anspruch auf Freistellung. Anders an gesetzlichen Feiertagen, hier sind Arbeitgeber dazu verpflichtet ihre Mitarbeiter von der Arbeit freizustellen. Arbeitgeber werten es aber häufig als freiwillige Leistung, ihren Beschäftigten einen halben oder ganzen Tag bezahlt freizugeben. Hat der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern mindestens dreimal in Folge eine Freistellung gewährt, ohne schriftlich auf die Einmaligkeit hinzuweisen, tritt der besondere Fall der sogenannten betrieblichen Übung ein. Basierend auf dem Gewohnheitsrecht haben Arbeitnehmer auf Dauer den Anspruch auf eine Freistellung, weil bei der Leistung eine Regelmäßigkeit vorliegt.

Kann der Arbeitgeber nur bestimmten Mitarbeitern an Karneval freigeben?

Ja! Eine regionale Ungleichbehandlung beim Karneval ist ausnahmsweise zulässig, so die aktuelle Rechtsprechung. Besitzt ein Unternehmen verschiedene Standorte, kann der Arbeitgeber nur diejenigen Mitarbeiter freistellen, die in Karnevalsregion leben bzw. arbeiten. Die Sonderbehandlung ist gerechtfertigt aufgrund der überragenden Bedeutung des Brauchtums,

VG Berlin, 21.01.2016 62K 19.15.

Müssen alle an der betrieblichen Karnevalsfeier teilnehmen?

Ja! Voraussetzung, der Arbeitgeber erklärt, dass es sich dabei um eine von ihm organisierte betrieblich veranlasste Veranstaltung handelt und diese während der regulären Arbeitszeit stattfindet. Also, wer nicht mit feiern will, muss ganz normal arbeiten.

Ist Alkohol erlaubt?

Ja! Gegen ein Glas Sekt oder Bier auf der betrieblichen Karnevalsfeier ist nichts einzuwenden. Dem Arbeitgeber jedoch unterliegt das Hausrecht. Damit besitzt er die Möglichkeit ein Alkoholverbot zu verhängen.

Wie laut darf die Musik an Karneval sein?

Karnevalsmusik als Stimmungsmacher darf nicht fehlen. Der Arbeitgeber müsse auch mal lautere Musik hinnehmen. Es gilt jedoch zu beachten, das kollegiale Umfeld und die Arbeit dürfen nicht beeinträchtigt werden. Ebenso sollten sich Mitarbeiter und Kunden dadurch nicht gestört fühlen.

Ein Kuss auf die Wange, abgeschnittener Schlips. Narrenfreiheit?

„Bützje“ hat Tradition und seine Berechtigung. Aber Vorsicht, der Kuss auf die Wange stellt laut dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz einen Eingriff in die Intimsphäre des Einzelnen dar. Sicher ist, wer davor aktiv Erlaubnis einholt. Ein gewährter Kurs darf auch nicht als Aufforderung zu weiteren Handlungen gesehen werden. Auch anzügliche Witze können bereits als grenzüberschreitend wahrgenommen werden. Tradition im Wandel, das Abschneiden der Krawatte kann durchaus zum Schadensersatz führen, dazu ein Urteil des AG Essen, 1988, 20 C 691/87.

grenzenlose Narrenfreiheit auf der betrieblichen Karnevalsfeier besteht also nicht. In solchen Fällen obliegt der Arbeitgeber gegenüber seinen Arbeitnehmern eine Fürsorgepflicht und er muss geeignete Maßnahmen zum Schutz der Betroffenen treffen.

Gilt auf der Karnevalsfeier der Unfallschutz?

Ja! Voraussetzung, es handelt sich um eine offizielle Veranstaltung, diese muss den Gemeinschaftssinn der Belegschaft fördern, für alle Angestellten offenstehen und ein Mitglied der Unternehmensleitung teilnehmen. Der Versicherungsschutz greift nicht, wenn der Mitarbeiter so stark betrunken war, dass seine kognitiven und motorischen Fähigkeiten ausgesetzt haben. Auch wer nach der betrieblichen Karnevalsfeier nicht direkt nach Hause sondern in der nächste Kneipe einkehrt, verliert den Versicherungsschutz.

Darf der Arbeitgeber Fotos von Karneval veröffentlichen?

Nein! Das Recht am eigenen Bild regelt § 22 Kunsturhebergesetzes in Verbindung mit der Datenschutzgrundverordnung. Der Mitarbeiter muss der Veröffentlichung von Fotos auf Social Media ausdrücklich zu sagen bzw. verweigern.

Krank nach der Karnevalsfeier!

Der Arbeitnehmer hat beim Feiern über den Durst getrunken. Wer sich jetzt ordnungsgemäß krank meldet, als unverschuldet arbeitsunfähig gilt, hat nicht mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu rechnen. Wer hingegen verkatert zur Arbeit erscheint und deshalb Fehler bei der Arbeit begeht, kann sogar eine Abmahnung riskieren. Gleiches gilt für eine Krankmeldung und trotzdem Karneval feiern.

Anhebung der Altersgrenzen des Renteneintrittsalters

Wesentliche Änderung und Neuregelung im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales für das Jahr 2023.

Im Jahr 2012 startete die Anhebung des Renteneintrittsalters. Im Zuge der schrittweisen Anhebung des Renteneintrittsalters in der gesetzlichen Rentenversicherung (Rente mit 67) steigen die Altersgrenzen um einen weiteren Monat. Versicherte, die 1957 bzw. 1958 geboren sind und für die keine Vertrauensschutzregelungen gelten, erreichen die Regelaltersgrenze mit 65 Jahren und elf Monaten bzw. mit 66 Jahren.

Für die folgenden Geburtsjahrgänge erhöht sich die Regelaltersgrenze um je zwei Monate pro Jahrgang. Für die Jahrgänge 1964 und jünger liegt die Regelaltersgrenze bei 67 Jahren.

Verbesserte Absicherung bei Erwerbsminderung.

Wer in jüngeren Jahren vermindert erwerbsfähig wird, hat in der Regel noch keine ausreichenden Rentenanwartschaften aufbauen können. Damit die Versicherten dennoch eine angemessene Sicherung erhalten, werden Bezieher einer Erwerbsminderungsrente so gestellt, als hätten diese über den Eintritt der Erwerbsminderung hinaus so weitergearbeitet, wie zuvor (Zurechnungszeit). Die Zurechnungszeit wird in Anlehnung an die Anhebung der Regelaltersgrenze bis zum Jahr 2031 schrittweise bis auf 67 Jahre verlängert. Bei einem Beginn der Erwerbsminderungsrente im Jahr 2023 endet die Zurechnungszeit mit 66 Jahren.

  Regelaltersgrenze – was ist das genau und wann ist sie erreicht?

Die Regelaltersgrenze wird für nach dem 31. Dezember 1946 geborene Versicherte schrittweise vom 65. auf das 67. Lebensjahr angehoben. Wer zum Beispiel 1954 geboren ist und im Jahr 2022 seinen 65. Geburtstag feiert, erreicht die Regelaltersgrenze mit 65 Jahren und elf Monaten. Alle, die 1964 oder später geboren sind, erreichen diese erst mit 67 Jahren.

Versicherte
Geburtsjahr

Anhebung
um Monate

auf Alter

Jahr

Monat

 

1947

1

65

1

1948

2

65

2

1949

3

65

3

1950

4

65

4

1951

5

65

5

1952

6

65

6

1953

7

65

7

1954

8

65

8

1955

9

65

9

1956

10

65

10

1957

11

65

11

1958

12

66

0

1959

14

66

2

1960

16

66

4

1961

18

66

6

1962

20

66

8

1963

22

66

10

Quellen: Deutsche Rentenversicherung Bund / Bundesamt für Justiz

Quelle: PM BMAS v. 22.12.2022

Betriebliches Eingliederungsmanagement – BEM

Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber nach § 167 SGB IX mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Personen und den zuständigen Interessenvertretungen wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden, wie erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Der Arbeitgeber ist durch die gesetzliche Aufforderung zum BEM zu geeigneten gesundheitlichen Präventionsmaßnahmen bei allen (nicht nur Schwerbehinderten) Arbeitnehmern zu Gesprächen und Hilfsmaßnahmen verpflichtet. Es handelt sich vom Grundsatz her um ein Hilfsangebot des Arbeitgebers an die Beschäftigten, mit der Verpflichtung das BEM zu organisieren. Da auch eine wiederholte Arbeitsunfähigkeit den Anspruch auf ein BEM auslösen kann, sind grundsätzlich auch kürzere Arbeitsunfähigkeiten zu berücksichtigen, sofern sie in einer Gesamtaddition 42 Tage überschreiten. Für die Beurteilung einer ununterbrochenen oder wiederholten Arbeitsunfähigkeit von mehr als sechs Wochen ist nicht das Kalenderjahr, 01. Januar bis 31. Dezember, maßgeblich, vielmehr müssen die aktuell vergangenen zwölf Monate betrachtet werden (BAG 24.3.2011 – 2 AZR 170/10).

Für die betroffenen Arbeitnehmer ist es ein Angebot, das vor Arbeitslosigkeit oder Frührente schützen kann. Das betriebliche Eingliederungsmanagement hat zum Ziel, Maßnahmen zu identifizieren, die ein milderes Mittel gegenüber einer krankheitsbedingten Kündigung darstellen. Die Teilnahme ist freiwillig. Verweigert der Arbeitnehmer trotz ordnungsgemäßer Unterrichtung und Information durch den Arbeitgeber die Durchführung eines BEM, sieht das Gesetz hierfür keine Konsequenzen vor. Wenn die Zustimmung und Beteiligung nicht erteilt wird, dürften für den Betroffenen daraus keine, insbesondere arbeitsrechtlichen, Nachteile entstehen.

Wichtig für den Betriebsrat:

Nach neuester Rechtsprechung des BAG betrifft die Mitbestimmung des BR nur die Grundsätze für das Verfahren des BEM. Ihm obliegt eine Überwachungsfunktion über das Verfahren, kann aber seine Anwesenheit nicht erzwingen (BAG v. 22.3.2016, 1 ARB 14/14, NZA 2016, 283).

Gibt der Betroffene seine Zustimmung, so nehmen an einem Gespräch in der Regel teil:

  • Arbeitgeberbeauftragter
  • der betroffene Beschäftigte
  • Interessenvertretung
  • Schwerbehindertenvertrauensperson
  • optional: Betriebsarzt oder externe Vertrauensperson

Die konkrete Suche nach den Möglichkeiten einer gesundheitsgerechten Beschäftigung des Betroffenen im Betrieb ist eine gemeinsame Aufgabe von Arbeitgeber, Betroffenen, Betriebsrat und ggf. Schwerbehindertenvertretung.

Der BR hat kein Mitbestimmungsrecht bei der Frage, OB ein BEM durchzuführen ist. Hier gelten die gesetzlichen Vorgaben. Bei der Ausgestaltung, dem WIE, ist für jede einzelne Regung zu prüfen, ob ein Mitbestimmungsrecht besteht. In Betracht kommen insbesondere die Mitbestimmungsrechte des BR nach § 87 Abs. 1 Nr. 6, 7 BetrVG bei:

  • Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb, § 87              Abs. 1 Nr. 1 BetrVG
  • Einführung und Ausgestaltung von allgemeinen Verfahrensregeln § 87 Abs. 1 Nr.1, 7 BetrVG
  • Regelung über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften, § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG
  • Nutzung und Verarbeitung von Gesundheitsdaten, § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG

Hilfreich zur Detailbeschreibung eines betrieblichen Eingliederungsmanagement ist der Abschluss einer Betriebsvereinbarung. Hier sollten folgende Inhalte festgelegt werden:

  • Ziele des BEM
  • Konzeption des BEM als Managementsystem
  • Benachteiligungsverbot, d. h. Nachteile, insbesondere arbeitsrechtliche Konsequenzen dürfen einem Arbeitgeber, der der Teilnahme an einem BEM nicht zustimmt, nicht entstehen
  • Umfang und Struktur der Erhebung von krankheitsbedingten Fehlzeiten
  • Kontaktaufnahme mit dem betroffenen Beschäftigten
  • Regelung zur Zusammenarbeit der Verantwortlichen
  • Regelung zur Beteiligung interner und externer Fachkräfte
  • Qualifizierungsmaßnahmen z. B. der Vorgesetzten
  • Datenschutz: Ausgestaltung der Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person sowie der Umgang mit den Daten eines BEM-Verfahrens
  • Dokumentation des Verfahrens

Das muss der Betriebsrat wissen! Informationsrechte über Fremdpersonal.

 

In der vorliegenden Entscheidung geht es um Personen, die im Wege von Werk- oder Dienstverträgen beschäftigt werden, also nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat dennoch über einige Details bei deren Einsatz unterrichten (Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes § 80 Abs. 2). Dazu gehören, zeitlicher Umfang des Einsatzes, Arbeitsort und Arbeitsaufgaben. Konkrete Namen der eingesetzten Arbeitskräfte muss der Betriebsrat nicht erfahren, so das LAG Baden-Württemberg kürzlich.

Laut Gesetz muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat alle Information zur Verfügung stellen, die dieser zur Durchführung seiner Aufgaben benötigt, § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG. Die Vorschrift umfasst auch den Informationsanspruch des Fremdpersonals.

Die Prüfung des Informationsanspruchs eines BR erfolgt immer zweistufig: a. Aufgabenzug und b. Erforderlichkeit der Information.

a. Aufgabenbezug

Auf der ersten Stufe ist zu prüfen, ob überhaupt eine Aufgabe des Betriebsrats gegeben ist. Die Tatsache, dass der Fremdpersonaleinsatz im Gesetz explizit erwähnt ist, heißt nicht, dass auf die Prüfung des Aufgabenbezugs verzichtet werden kann. Die Unterrichtung soll es dem Betriebsrat ermöglichen, selbst zu klären und zu prüfen, ob sich für ihn Betriebsratsaufgaben ergeben und er zu ihrer Wahrnehmung tätig werden muss. Daher muss er auch bei dem Informationsanspruch zum Fremdpersonal begründen, dass ein Bezug zu seinen Betriebsratsaufgaben besteht (BAG 12. März 2019 – 1 ABR48/17).

Dem Betriebsrat geht es um die Überprüfung, ob das im Betrieb eingesetzte Fremdpersonal möglicherweise im Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert ist und gegenüber dem Arbeitgeber weisungsunterworfen arbeitet. Fraglich also, ob ihm ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG zusteht, bzw. ob ihm bei einer bereits erfolgten Eingliederung der Mitarbeiter ein Anspruch auf Aufhebung der personellen Maßnahmen nach § 101 BetrVG zusteht.

b. Erforderlichkeit der Information

Weiterhin ist zu prüfen, ob im Einzelfall die begehrte Information zur Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist. Informationen über den Umfang der Einsätze des Fremdpersonals, die Einsatzorte und die Arbeitsaufgaben der eingesetzten Personen sind, nach Auffassung des LAG, für die Aufgabenerfüllung erforderlich. Nicht gegeben ist dagegen eine namentliche Benennung der eingesetzten Personen.

Zum Sachverhalt mit ausführlicher Begründung: Quelle LAG Baden-Württemberg v. 12.10.2022

Az 4 TaBV 3/21

Das ändert sich 2023 im Arbeitsrecht! Die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU)

 

Gesetzlich versicherte Arbeitnehmer müssen ab Jahresbeginn 2023 gem. § 5 Abs. 1a EFZG grds. keinen „gelben Schein“ mehr bei ihrem Arbeitgeber einreichen. Die Arbeitsunfähigkeitsdaten übermittelt der behandelnde Arzt elektronisch an die Krankenkasse. Aus den Daten wird eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung erstellt. Diese kann der Arbeitgeber dann automatisiert bei der zuständigen Krankenkasse abrufen.

Achtung Ausnahmen! Die eAU gilt nicht:

  • für privat krankenversicherte Arbeitnehmer,
  • geringfügig Beschäftigte in Privathaushalten,
  • für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch Privatärzte,
  • für eine im Ausland festgestellte Arbeitsunfähigkeit (bzw. Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit),
  • für Eltern, die sich - ärztlich bestätigt - um ein krankes Kind kümmern müssen,
  • bei stufenweiser Wiedereingliederung,
  • bei Rehabilitationsleistungen,
  • bei einem Beschäftigungsverbot.

Bestehen bleibt die Mitteilungspflicht gegenüber dem Arbeitgeber: Arbeitsunfähigkeit, voraussichtliche Dauer, z.B. telefonisch.

Wichtig für den Betriebsrat.

Notwendigkeit einer Betriebsvereinbarung. Ein BR hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unter bestimmten Voraussetzungen ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht.

Dies, wenn der Arbeitgeber regeln möchte,

  • wie der Arbeitnehmer die ihm nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG obliegende Anzeigepflicht erfüllen soll,
  • dass der behandelnde Arzt die Arbeitsunfähigkeit vorzeitig feststellt oder
  • dass Personen, die weiter eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen müssen, dies vorzeitig machen müssen oder
  • dass der Arbeitnehmer nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit die wiedererlangte Arbeitsfähigkeit anzeigen oder sogar eine Arbeitsfähigkeitsbescheinigung vorlegen soll.

 

Quelle: BMAS PM v. 20.12.2022

 

 

Der Feind des Guten ist das Bessere. Aber was ist das Bessere, das Präsenzseminar oder das Webinar?

 

Aktuelle Rechtsprechung des LAG Düsseldorf. Der Beschluss enthält eine wichtige Botschaft.

Mit zunehmender Steigerung der Onlinepräsenz und gesetzlicher Rückendeckung bei derer Anwendung im heutigen Betriebsrat Alltag ist diese Frage brandaktuell und beschäftigt die Gerichte. In einer aktuellen Entscheidung vom 24.11.2022 musste sich das LAG Düsseldorf der Frage stellen, ob der Arbeitgeber Übernachtungs- und Verpflegungskosten für ein Präsenzseminar zwecks Schulung der Personalvertretung übernehmen muss oder kann er die Personalvertretung auf ein wirtschaftlich günstigeres Webinar verweisen. Eine Personalvertretung (PV) verfügt über die gleichen Rechte wie ein Betriebsrat. Es gelten die Regelungen des BetrVG entsprechend, § 117 Abs. 2. BetrVG.

Darum geht es, der Sachverhalt:

Bei der Arbeitgeberin, einer Luftverkehrsgesellschaft, ist eine Personalvertretung Kabine (PV Kabine) gebildet, für deren Rechte die Regelungen des Betriebsverfassungsrechts (BetrVG) entsprechend gelten. Die PV Kabine wollte zwei in Düsseldorf und Köln wohnende Mitglieder zu der Präsenzschulung "Betriebsverfassungsrecht Teil 1“ in Binz/Rügen entsenden. Die Arbeitgeberin schlug aus Kostengründen ortsnähere Seminarorte oder - im gewählten Zeitraum - ein Webinar vor. Daraufhin beschloss die PV Kabine die beiden Mitglieder für die Zeit vom 24.8.2021 bis zum 27.8.2021 zur Schulung "Betriebsverfassungsrecht Teil 1“ in Potsdam zu entsenden. Es fielen für beide Teilnehmer zusammen ca. 1.800 € brutto für die Schulung und ca. weitere 1.300 € brutto an Übernachtungs- und Verpflegungskosten an. Die Hin- und Rückreise der beiden Mitglieder erfolgte per Flugzeug nach Berlin auf nicht von Kunden gebuchten Plätzen mit Flügen der Arbeitgeberin.

 

Die Arbeitgeberin verweigerte die Übernahme der Schulungs-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten. Sie meint in erster Linie, dass die beiden Mitglieder der PV Kabine an einem kostengünstigeren Webinar mit identischem Schulungsinhalt hätten teilnehmen können, zumal dann keine Übernachtungs- und Verpflegungskosten angefallen wären. Es hätte im maßgeblichen Zeitraum zudem im näheren Einzugsgebiet kostengünstigere Präsenzseminare gegeben. Die PV Kabine meint, sie müsse sich nicht auf ein Webinar verweisen lassen. An näheren Orten gehaltene Präsenzseminare wären u.a. wegen Urlaub nicht in Betracht gekommen. Die PV Kabine begehrt, die Arbeitgeberin zu verpflichten, sie von den Schulungs-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten für das Seminar in Potsdam freizustellen.

 

Diesem Begehren entsprach das ArbG. In der Beschwerde stritten die Beteiligten zuletzt nur noch über die Übernachtungs- und Verpflegungskosten. Diese Kosten hat das LAG der PV Kabine zugesprochen. Die Rechtsbeschwerde wurde zugelassen.

 

Die Gründe:

Gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG hat die Arbeitgeberin die Kosten zu tragen, die anlässlich der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG entstanden sind, sofern das bei der Schulung vermittelte Wissen für die Betriebsratsarbeit erforderlich ist. Dies ist hier inhaltlich zu bejahen.

 

Auf ein Webinar anstelle einer Präsenzveranstaltung musste die PV Kabine sich nicht verweisen lassen. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit hat sie die betriebliche Situation und die mit dem Besuch der Schulungsveranstaltung verbundenen finanziellen Belastungen der Arbeitgeberin zu berücksichtigen. Allerdings ist ihr bei der Seminarauswahl ein Beurteilungsspielraum zuzugestehen. Nur wenn mehrere gleichzeitig angebotene Veranstaltungen nach Ansicht der PV Kabine innerhalb dieses Beurteilungsspielraums als qualitativ gleichwertig anzusehen sind, kommt eine Beschränkung der Kostentragungspflicht der Arbeitgeberin auf die Kosten des preiswerteren Seminars in Betracht. Es hält sich derzeit innerhalb des Beurteilungsspielraums der PV Kabine, wenn sie selbst ein inhaltgleiches Webinar mit einer entsprechenden Präsenzveranstaltung nicht für qualitativ vergleichbar erachtet. Die Einschätzung der PV Kabine, dass der "Lerneffekt“ im Rahmen einer Präsenzveranstaltung deutlich höher ist als bei einem Webinar, ist nicht zu beanstanden. Ein Austausch und eine Diskussion über bestimmte Themen sind bei einem Webinar in weitaus schlechterem Maße möglich als bei einer Präsenzveranstaltung. Insoweit stellt sich das Webinar eher als "Frontalunterricht“ dar, was wohl auch daran liegen dürfte, dass die Hemmschwelle, sich online an Diskussionen zu beteiligen, weitaus höher ist, als bei einem Präsenzseminar.

 

Die PV Kabine durfte die konkret angefallenen Übernachtungs- und Verpflegungskosten für erforderlich halten. Es gab es keine ortsnäheren Präsenzseminare, auf welche die PV Kabine hätte verwiesen werden können. Die ermittelten alternativen Seminare lagen u.a. tatsächlich im Urlaubszeitraum des einen Mitglieds bzw. das andere Mitglied hatte in Anwendung einer tatsächlich gelebten Praxis einer dienstlichen Veranstaltung (Training) den Vorrang gegeben. Im Übrigen ergab sich aufgrund der konkreten Entfernung keine ausreichende Kostenersparnis im Vergleich zum gebuchten Seminar, weil die Übernachtungskosten nicht entfallen wären. Ein anderes Seminar lag zeitlich so viel später, dass die PV Kabine sich darauf nicht verweisen lassen musste.

Fazit für die Interessenvertretung

Betriebsräte und Personalvertretung sind auch in Zeiten der wirtschaftlich angespannten Lage nicht gezwungen, bei ihrem Schulungsanspruch Einschränkungen zu machen. Das LAG Düsseldorf zeichnet in seinem Beschluss gute Gründe für Präsenzveranstaltung und ein Ermessen des Betriebsrats bei der Auswahl. Zwar muss die Interessenvertretung, wenn sie die Erforderlichkeit der Schulung prüft, die betriebliche Situation und die finanziellen Belastungen des Arbeitgebers berücksichtigen, jedoch steht ihr bei der Seminarauswahl ein Beurteilungsspielraum zu. Dieser beinhaltet eine Ablehnung, wenn sie ein inhaltsgleiches Webinar mit einer entsprechenden Präsenzveranstaltung nicht für qualitativ vergleichbar erachtet.

Quelle: LAG Düsseldorf PM 24.11.2022, Az:8 TaBV 59/21

Gut zu wissen! Änderung der Arbeitsverträge / Nachweisgesetz

Gut zu wissen! Ab dem 1. August 2022 treten Reformen bei der Gestaltung von Arbeitsverträgen in Kraft. Dafür wird das Nachweisgesetz, NachwG, entsprechend geändert. Arbeitgeber sind verpflichtet, Arbeitsverträge detailliert und verständlich zu formulieren. Beschäftigte müssen ihre Arbeitsbedingungen zwingend in Schriftform erhalten, in Papierform und mit eigenhändiger Unterschrift des Arbeitgebers. Der Bundestag hat sich hier bewusst gegen eine digitale Form entschieden. Zudem müssen die Arbeitsverträge zusätzliche Angaben zu Überstunden, Schichtsystem, Kündigung oder Probezeit enthalten.

Welche Arbeitsverträge sind betroffen? Alle neuen Arbeitsverträge, die ab dem 1. August 2022 unterschrieben werden. Bereits unterschriebene Verträge, und zwar sechs Monate rückwirkend, die einen Arbeitsbeginn im August 2022 vorsehen. Auch Altverträge können von den Änderungen betroffen sein. Beschäftigte können den Arbeitgeber auffordern, Ihnen die Daten, die Arbeitsverträge jetzt zusätzlich enthalten müssen, innerhalb von sieben Tagen mitzuteilen.

Diese Angaben müssen Arbeitsverträge ab August enthalten

Bereits jetzt legt § 2 Nachweisgesetz (NachwG) wesentliche Arbeitsbedingungen fest, die im Arbeitsvertrag stehen müssen. Ab 1. August müssen dort zusätzlich auch diese Angaben enthalten sein:

  • das Enddatum bei befristeten Arbeitsverhältnissen
  • die Möglichkeit, dass Beschäftigte ihren jeweiligen Arbeitsort frei wählen können (sofern vereinbart)
  • die Dauer der Probezeit (sofern vereinbart)
  • die Vergütung von Überstunden und die Form der Auszahlung
  • die Form, in der das Arbeitsentgelt ausgezahlt wird
  • die vereinbarten Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für die Schichtänderungen
  • Einzelheiten zur Arbeit auf Abruf (sofern vereinbart)
  • die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen
  • ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung
  • Name und Anschrift des Versorgungsträgers, wenn der Arbeitgeber eine betriebliche Altersversorgung gewährt (es sei denn, der Versorgungsträger ist zur Mitteilung verpflichtet)
  • das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Mitarbeitenden einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage; § 7 des Kündigungsschutzgesetzes ist auch bei einem nicht ordnungsgemäßen Nachweis der Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage anzuwenden.

Arbeitsrecht - SARS-CoV-2 Arbeitsschutzregel

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat die neue SARS-CoV-2 Arbeitsschutzregel zur Veröffentlichung freigegeben. Sie wurde gemeinsam von den Arbeitsschutzausschüssen beim Bundesarbeitsministerium unter Koordination der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

(BAuA) erstellt.Die Regel stellt Maßnahmen für alle Bereiche des Wirtschaftslebens vor, mit denen das Infektionsrisiko für Beschäftigte gesenkt und auf niedrigem Niveau gehalten werden kann. Dabei bleiben Abstand, Hygiene und Masken die wichtigsten Instrumente.

Betriebe, die die in der SARS-CoV-2-Regel vorgeschlagenen technischen, organisatorischen und personenbezogenen Schutzmaßnahmen umsetzen, können davon ausgehen, dass sie rechtssicher handeln. Zudem erhalten die Aufsichtsbehörden der Länder eine einheitliche Grundlage, um die Schutzmaßnahmen in den Betrieben zu beurteilen.

Um den SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard des BMAS zu konkretisieren und auf eine verbindlichere rechtliche Ebene zu stellen, beauftragte der "Corona Arbeitsschutzstab" beim BMAS die BAuA und die staatlichen Arbeitsschutzausschüsse, eine entsprechende Regel zu erstellen. Unter der Koordination der BAuA erarbeiteten der Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe (ABAS), der Ausschuss für Arbeitsmedizin (AfAMed) und der Ausschuss für Arbeitsstätten (ASTA) einen Entwurf, der gemeinsam mit dem Ausschuss für Betriebssicherheit (ABS) und dem Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) abgestimmt wurde.

Auf Basis des aktuellen Stands der Technik, Hygiene und Arbeitsmedizin wurden in der SARS-CoV-2 Arbeitsschutzregel differenzierte Umsetzungsmaßnahmen für die Betriebe entwickelt. Dabei werden neben Arbeitgebern auch die Akteure des betrieblichen Arbeitsschutzes wie Sicherheitsfachkräfte und Arbeitsmediziner angesprochen und die Instrumente des Arbeitsschutzes, wie zum Beispiel die arbeitsmedizinische Vorsorge in Bezug genommen. Die Maßnahmen umfassen zentrale technische Aspekte des Infektionsschutzes wie Lüftung und Abtrennungen und organisatorische Maßnahmen wie die Gestaltung der Arbeits- und Pausenzeiten sowie die Arbeit im Homeoffice. Für Arbeitsbereiche, in denen technische und organisatorische Maßnahmen keinen hinreichenden Infektionsschutz bieten können, werden personenbezogene Maßnahmen formuliert, zum Beispiel die Nutzung von Mund-Nase-Bedeckungen. Neben der Fokussierung auf Maßnahmen der sicheren Gestaltung und Prävention umfasst die Regel auch Handlungsoptionen zum Umgang mit besonders schutzbedürftigen Beschäftigten.

Die SARS-CoV-2 Arbeitsschutzregel tritt zeitnah durch Veröffentlichung im Gemeinsamen Ministerialblatt in Kraft. Sie konkretisiert für den Zeitraum der epidemischen Lage von nationaler Tragweite gemäß § 5 Infektionsschutzgesetz die Anforderungen an den Arbeitsschutz. Gleichwertige oder strengere Regeln, zum Beispiel aus der Biostoffverordnung oder aus dem Bereich des Infektionsschutzes, müssen jedoch weiterhin beachtet werden. Die Empfehlungen der Berufsgenossenschaften zur SARS-CoV-2, die sich ebenfalls am Arbeitsschutzstandard des BMAS orientieren, werden zusätzlich für branchenspezifische Konkretisierungen empfohlen.

Download: SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel (PDF)

Quelle: PM des BMAS


Arbeitsrecht - Einsetzung des Wahlvorstands für die Betriebsratswahl durch das Gericht

Besteht weder ein Betriebsrat noch ein Gesamt- oder Konzernbetriebsrat kann der Wahlvorstand zur Wahl des Betriebsrats in einer Betriebsversammlung gewählt werden. Findet diese trotz Einladung hierzu nicht statt oder wird dort kein Wahlvorstand gewählt, bestellt ihn das Arbeitsgericht auf Antrag von mindestens drei wahlberechtigten Arbeitnehmern (§ 17 Abs. 4 BetrVG). Dies gilt auch dann, wenn die Teilnehmenden der Betriebsversammlung mehrheitlich eine Vertagung dieser Versammlung mit der Folge beschließen, dass kein erster Wahlgang zustande kommt. Die Fortsetzung der vertagten Wahlversammlung ist keine Voraussetzung für die gerichtliche Bestellung.

Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:

In einem Unternehmen bestand noch kein Betriebsrat. Drei wahlberechtigte Arbeitnehmer luden zu einer Betriebsversammlung für den 18. April 2019 ein, um dort durch die Teilnehmenden einen Wahlvorstand wählen zu lassen. Auf der Betriebsversammlung diskutierten die Anwesenden kontrovers und beschlossen schließlich mehrheitlich, die Betriebsversammlung - ohne konkrete Verabredung eines weiteren Termins - zu vertagen. Hiergegen haben sich die drei einladenden Arbeitnehmer zumindest nicht gewehrt. Im Anschluss haben sie sich aber an das Arbeitsgericht Lübeck (Az: 1 BV 36/19) gewandt und die Bestellung des Wahlvorstands durch das Gericht beantragt, ohne die vertagte Betriebsversammlung abzuwarten. Diese hat allerdings bis zum 22. Januar 2020 auch noch nicht stattgefunden.

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat die Bestellung des Wahlvorstands durch das Arbeitsgericht Lübeck bestätigt.

Die gerichtliche Bestellung eines Wahlvorstands kann nach § 17 Abs. 4 BetrVG nur, aber auch stets dann erfolgen, wenn es den Arbeitnehmern des Betriebs nicht gelungen ist, auf einer Wahlversammlung, zu der ordnungsgemäß eingeladen wurde, einen Wahlvorstand zu wählen. Dadurch wird der Vorrang der Belegschaft des Betriebs gesichert, selbst einen Wahlvorstand nach ihren Vorstellungen einzusetzen. Nach § 17 Abs. 3 BetrVG soll allen betroffenen Arbeitnehmern die Möglichkeit eröffnet werden, ihre eigenen kollektiven Interessen durch eine Beteiligung an der Initiative zur Bildung eines Betriebsrats selbst wahrzunehmen, bevor es zur gerichtlichen Bestellung eines Wahlvorstands kommt. Hier hat die Betriebsversammlung keinen Wahlvorstand gewählt, hatte jedoch die Chance dazu. Durch den letztendlich mehrheitlich gefassten Beschluss, die Versammlung ohne Festlegung eines konkreten „Fortsetzungstermins“ zu „vertagen“, ist die ordnungsgemäß einberufene Wahlversammlung objektiv erfolglos geblieben. Das ist ausreichend, denn auf die Gründe der Nichtwahl eines Wahlvorstandes kommt es nach dem Willen des Gesetzgebers nicht an.

Im Übrigen bleibt es den Arbeitnehmern des Betriebs bis zur Rechtskraft der durch das Arbeitsgericht erfolgten Bestellung eines Wahlvorstands unbenommen, selbst in einer weiteren Betriebsversammlung einen Wahlvorstand zu wählen. Durch diese Subsidiarität sind die Rechte der Belegschaft auf Selbstorganisation weiterhin geschützt.


LAG Schleswig-Holstein, 22.01.2020 - Az: 3 TaBV 23/19

ECLI:DE:LARBGSH:2020:0122.3TABV23.19.00

Quelle: PM des LAG Schleswig-Holstein


Arbeitsrecht - Betriebsratswahl bei Lieferdienst darf stattfinden

Der Antrag eines Lieferdienstes, dem Wahlvorstand mittels einstweiliger Verfügung die Durchführung der für den 02.04.2020 angesetzten Betriebsratswahl zu untersagen, blieb vor der 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf ebenso erfolglos wie bereits vor dem Arbeitsgericht.

Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:

Der Lieferdienst, die Arbeitgeberin, beschäftigte 512 Mitarbeiter. Die Fahrer, Lageristen und Staplerfahrer arbeiteten in einem Schichtsystem. Es gab Mitarbeiter mit festen Schichten und solche mit unregelmäßigen, flexiblen Schichten. Diese flexiblen Schichten bot die Arbeitgeberin per E-Mail an. Die Mitarbeiter konnten über die Übernahme einer solchen Schicht entscheiden, wobei das Windhund-Prinzip galt.

Ende 2019 teilten drei Mitarbeiter und die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten der Arbeitgeberin mit, dass sie zunächst am 11.01.2020, anschließend am 13.01.2020 eine Betriebsversammlung zur Bestellung eines Wahlvorstandes für eine Betriebsratswahl abhalten wollten.

Mit Schreiben vom 03.01.2020 wies die Arbeitgeberin darauf hin, dass aufgrund von urlaubs- und ferienbedingter Abwesenheiten nicht alle Arbeitnehmer des Betriebs die Möglichkeit hätten, von einer Einladung zu einer Wahlversammlung am 13.01.2020 rechtzeitig Kenntnis zu nehmen. Es seien zu dem damaligen Zeitpunkt nur knapp 50% der Mitarbeiter im Betrieb anwesend. Erfahrungsgemäß steige die Zahl der im Betrieb anwesenden Mitarbeiter regelmäßig sukzessive bis Ende des Monats auf weit über 90% an. Sie regte an, die Wahlversammlung frühestens Ende Januar 2020 stattfinden zu lassen.

Nach weiterer Korrespondenz erfolgte die Einladung zur Betriebsversammlung mit Schreiben vom 16.01.2020, im Betrieb an zwischen den Beteiligten streitigen Stellen am 18.01.2020 ausgehängt, für den 27.01.2020. An der Betriebsversammlung am 27.01.2020, in der ein Wahlvorstand gewählt wurde, nahmen 34 Mitarbeiter, d.h. 6,64% der Belegschaft, teil. Der Wahlvorstand terminierte die Betriebsratswahl auf den 02.04.2020.

Die Arbeitgeberin hat gemeint, dass dem Wahlvorstand die Durchführung der Betriebsratswahl zu untersagen sei. In der Zeit vom 18.01.2020 um 17.00 Uhr bis zum 27.01.2020 um 09.00 Uhr seien 185 Mitarbeiter durchgängig nicht im Betrieb anwesend gewesen, weil sie entweder keine Schicht gehabt hätten oder wegen Arbeitsunfähigkeit oder Urlaub nicht anwesend gewesen seien. Damit hätten 36 % der Belegschaft keine Kenntnis von der Einladung gehabt. Dies sei mit dem Grundsatz einer allgemeinen Wahl nicht vereinbar.

Der Wahlvorstand hält die Einladung zur Wahlversammlung für ordnungsgemäß. Die Einladung sei zudem in einer WhatsApp-Gruppe geteilt worden sowie in der von der Arbeitgeberin betriebenen Gruppe bei Facebook eingestellt worden, sei dort aber wieder gelöscht worden.

Dem entgegnet die Arbeitgeberin, dass es keine betriebliche Facebook-Gruppe gebe. Es gebe lediglich eine Gruppe von Mitarbeitern zum Zwecke des Schichttauschs mit 264 Mitgliedern, darunter zahlreiche ehemalige Mitarbeiter. In dieser Gruppe würden alle Posts, die keinen Bezug zum Schichttausch haben, gelöscht.

Das Landesarbeitsgericht sah keinen Grund für einen Wahlabbruch.

Ein solcher kommt nur in Betracht, wenn die vom Wahlvorstand eingeleitete Betriebsratswahl nichtig ist. Dies ist nur in Ausnahmefällen anzunehmen. Erforderlich ist, dass gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen worden ist, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr vorliegt.

Voraussetzung ist, dass der Mangel offenkundig und deshalb ein Vertrauensschutz in die Gültigkeit der Wahl zu versagen ist. Die Wahl muss „den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen“. Die bloße Anfechtbarkeit der Wahl wegen eines Wahlfehlers genügt nicht. Nichtigkeit ist hier nicht gegeben.

Eine etwaige zu kurze Einladungsfrist führt nicht zur Nichtigkeit der Bestellung des Wahlvorstands, selbst wenn Teile der Belegschaft von der Einladung zur Wahlversammlung keine Kenntnis genommen hätten. Dies folgt schon aus der Wertung, dass in einem betriebsratslosen Betrieb der Gesamtbetriebsrat einen Wahlvorstand bestellen kann, d.h. auch ohne dass die Mehrheit der Arbeitnehmer daran beteiligt ist.

Es liegt auch kein Fall vor, in dem die Einladung zur Wahlversammlung überhaupt nicht ausgehängt worden ist. Bei der Einladung zur Wahlversammlung ist nicht rechtsmissbräuchlich und aus machttaktischen Gründe eine zu kurze Einladungsfrist gewählt worden.

Unabhängig davon ist schon umstritten, ob eine etwaige fehlerhafte Bestellung des Wahlvorstands überhaupt zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl führen kann.

Dies spricht ebenfalls gegen einen Wahlabbruch.

Darüber, ob die Betriebsratswahl anfechtbar ist, brauchte das Landesarbeitsgericht nicht zu entscheiden, weil selbst eine sichere Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl nicht ausreicht, um diese im einstweiligen Verfügungsverfahren abzubrechen.

Gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts ist kein Rechtsmittel gegeben.


LAG Düsseldorf, 25.03.2020 - Az: 7 TaBVGa 2/20

Quelle: PM des LAG Düsseldorf


Arbeitsrecht - Betriebsvereinbarung ohne Beschlusses des Betriebsrats ist unwirksam!

Einer Betriebsvereinbarung, die mangels des erforderlichen Beschlusses des Betriebsrats nicht wirksam zustande gekommen ist, fehlt es an ihrer normativen Wirkung i.S.d. § 77 Abs. 4 BetrVG. Sie ist rechtlich unwirksam.

Es mag sein, dass sich der Arbeitgeber im Hinblick auf konkrete Maßnahmen, die er in Vollziehung einer solchen Betriebsvereinbarung ergriffen hat, mit schutzwürdigem Vertrauen rechtfertigen kann und sich nicht deren mitbestimmungsrechtliche Unwirksamkeit vorwerfen lassen muss.

Das gilt jedoch nur im Hinblick auf konkrete Mitbestimmungsfragen, wie etwa der Beteiligung im Rahmen von Kündigungen nach §§ 102, 103 BetrVG oder allgemeinen personellen Maßnahmen i.S.d. § 99 BetrVG.

Es bedeutet nicht, dass der Rechtsschein der Betriebsvereinbarung rechtliche Wirkung i.S.d. § 77 Abs. 4 BetrVG verleihen könnte.


LAG Düsseldorf, 27.04.2018 - Az: 10 TaBV 64/17

Arbeitsrecht - Kostenfreistellungsantrag und die fehlende direkte Inanspruchnahme des Betriebsrats

Hat das Arbeitsgericht den Antrag auf Freistellung von Schulungskosten für eine bestimmte Schulungsveranstaltung rechtskräftig abgewiesen, weil der Betriebsrat vom Schulungsveranstalter nicht wegen der Schulungskosten in Anspruch genommen worden war (dieser hatte die Rechnung direkt an den Arbeitgeber gesandt, vgl. BAG, 04.06.2003 - Az: 7 ABR 42/02), steht nach Vorliegen einer Rechnungsstellung gegenüber dem Betriebsrat einer erneuten gerichtlichen Geltendmachung der Einwand der Rechtskraft entgegen.


LAG Hessen, 07.05.2018 - Az: 16 TaBV 64/17

Quelle: AnwaltOnline GbR